Ab dem 01.09.2009 tritt die bereits viel diskutierte Reform des Familienrechts in Kraft. Neben Änderungen des Verfahrensrechts werden grundlegend die Regelungen zur Ehescheidung, dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich geändert.
Entscheidend, ob bei der Ehescheidung bzw. einem familienrechtlichen Verfahren bisheriges oder neues Recht Anwendung findet, ist der Tag, an dem der verfahrenseinleitende Antrag (bei Ehescheidungen der Scheidungsantrag) beim Gericht eingeht.
Alle Anträge die bis zum 31.08.09 bei Gericht eingehen werden noch nach bisherigem Recht behandelt.
Für alle Verfahren, die ab dem 01.09.09 eingeleitet werden gilt neues Recht.
Es stellt sich nun für eine Vielzahl Scheidungswilliger die wichtige Frage, ob die Durchführung der Ehescheidung nach bisherigem oder nach neuem Recht vorteilhafter ist.
Diese Frage ist nur individuell im jeweiligen Einzellfall zu beantworten, sofortiger Handlungsbedarf ist notwendig.
Es sollte für eine fundierte Beratung kurzfristig ein Anwalt zu Rate gezogen werden.
Erste Anhaltspunkte soll die nachfolgende Übersicht über die wesentlichen Änderungen geben.
Bisher konnten Ehen mit nur einem Anwalt geschieden werden, wenn sich die Ehegatten über die Folgen der Ehescheidung einig waren, der nicht anwaltlich vertretene Ehegatte der Scheidung im Termin zustimmt und keine eigenen Anträge von dem nicht anwaltlich vertretenen Ehegatten gestellt worden sind.
Sollte – gerade bei kurzen Ehen – der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, war dies nur unter Mithilfe eines zweiten Anwalts möglich. Den Ehegatten sind hierdurch erhebliche Mehrkosten entstanden.
Ab dem 01.09.09 kann auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei kurzen Ehen von einer Dauer bis zu 3 Jahren auch ohne zweiten Anwalt verzichtet werden. Mit der Änderung des Versorgungsausgleichsrechts bestimmt der Gesetzgeber künftig, dass bei Ehen von kurzer Dauer (bis zu 3 Jahren) der Versorgungsausgleich nur auf Antrag durchgeführt werden wird.
Bei kurzen Ehen ist danach grundsätzlich nur dann der Versorgungsausgleich durchzuführen, wenn einer der Ehegatten dies ausdrücklich beantragt. Für diesen Antrag bedarf es keines zweiten Anwalts, den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs kann der nicht anwaltlich vertreten Ehegatte selbst stellen. Er kann daher auch selbst hierauf verzichten.
In so weit wird der im Familienrecht grundsätzlich herrschende Anwaltszwang aufgegeben. Die Möglichkeit der einvernehmlichen (kostengünstigen) Ehescheidung mit nur einem anwaltlich vertretenen Ehegatten wird hierdurch erheblich erweitert.
Der Anregung, Ehescheidungen künftig ohne Anwälte und Gerichte beim Notar durchzuführen, wurde durch die Reform eine Absage erteilt.
Es ist ab dem 01.09.09 im Gegensatz zu bisher geltendem Recht bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs sowohl negatives Anfangsvermögen als auch negatives Endvermögen zu berücksichtigen.
Übersteigen die Schulden das Anfangsvermögen oder das Endvermögen ist der kleinste in die Berechnung einzustellende Wert jeweils Null.
Die Abtragung von Schulden während der Ehe führte bisher nicht zu einem Zugewinn.
Mit der Reform des Familienrechts erhält der Zugewinnausgleich eine wirtschaftliche Betrachtung.
Durch die Berücksichtigung von negativen Anfangsvermögen und negativen Endvermögen wird künftig auch der Schuldenabbau während der Ehe bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs berücksichtigt.
Die Ehefrau hat im Zeitpunkt der Heirat Schulden in Höhe von EUR. 10.000,00, bei der Zustellung des Scheidungsantrags ein Guthaben von EUR 5.000,00.
Der Ehemann hat im Zeitpunkt der Heirat kein Vermögen, bei der Zustellung des Scheidungsantrags ein Guthaben von EUR 20.000,00.
Anfangsvermögen
Endvermögen
Zugewinn
Ehefrau
EUR 0,00 EUR 5.000,00 EUR 5.000,00
Ehemann EUR 0,00 EUR 20.000,00 EUR 20.000,00
Zugewinnausgleich: EUR 20.000,00 ./. EUR 5.000,00 = EUR 15.000,00 : 2 =EUR 7.500,00
Zur Berechnung vergleiche: Berechnung Zugewinnausgleich
Anfangsvermögen
Endvermögen
Zugewinn
Ehefrau
EUR -10.000,00 EUR 5.000,00 EUR 15.000,00
Ehemann EUR 0,00 EUR 20.000,00 EUR 20.000,00
Zugewinnausgleich EUR 20.000,00 ./. EUR 15.000,00 = EUR 5.000,00 : 2 =EUR 2.500,00
Nach bisherigem Recht hat die Ehefrau gegen ihren Ehemann einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von EUR 7.500,00, nach neuem Recht aufgrund der Berücksichtigung des Schuldenabbaus einen Anspruch in Höhe von noch EUR 2.500,00.
Nicht verändert worden ist die Regelung, dass es einen negativen Zugewinn nicht geben wird.
Verschärft worden ist die Haftung bei illoyalen Vermögensverfügungen, also in solchen Fällen, in denen nach der Trennung Gelder durch einen Ehegatten beiseite geschafft werden, um diese dem Zugewinn zu entziehen.
Auch hat der Gesetzgeber weitere und umfangreichere Auskunftsansprüche geschaffen um illoyale Vermögensverschiebungen zu erschweren.
Die Regelungen zum Zugewinnausgleich sind durch die Reform aber nur punktuell geändert worden.
Nach wie vor wird den jeweiligen individuellen Verhältnissen der Ehegatten durch die starren Stichtagsregelungen nur wenig Rechnung getragen. Die Erstellung eines Ehevertrags empfiehlt sich auch nach der Reform des Familienrechts.
Nach bisher geltendem Recht war der Versorgungsausgleich als Einmalausgleich gestaltet.
Vereinfacht ausgedrückt sind die von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Anwartschaftsrechte addiert worden und dann, ähnlich dem Zugewinnausgleich, einander gegenübergestellt worden.
Die geringeren Anwartschaftsrechte waren von den höheren Anwartschaftsrechten abzuziehen, der verbleibende Betrag war hälftig auszugleichen und gegebenfalls in die gesetzliche Rentenversicherung des Ausgleichsberechtigten zu übertragen.
Anwartschaftsrechte können verschiedenen Rententrägern erworben werden. Es muss regelmäßig, wenn nicht lediglich Ansprüche der gesetzlichen Rentenversicherungsträger auszugleichen sind oder beide Ehegatten bei einem Träger ein Rentenkonto besitzen, zur Übertragung der Anwartschaften von einem Versicherungsträger auf das Konto des Ausgleichsberechtigten bei der gesetzlichen Rentenversicherung, die Umrechnung über die sogenannte Barwertverordnung erfolgen.
Diese Umrechnung steht seit Jahren unter erheblicher Kritik.
Aufgrund der ungenauen Umrechnungsfaktoren der Barwertverordnung erfolgt die Umrechnung nicht exakt, so dass der Ausgleichsberechtigte bei der bisherigen Umrechnung Nachteile erleiden kann (der Verpflichtete hat hierdurch selbstverständlich entsprechende Vorteile).
Mit der Reform wird bei Versorgungsausgleichsverfahren (die zwingend mit der Ehescheidung durchzuführen sind) der Einmalausgleich abgeschafft und der sogenannte Hin-und-Her-Ausgleich eingeführt.
Künftig werden die Anwartschaftsrechte nicht mehr nur einmalig ausgeglichen, die Gesamtbetrachtung wird aufgegeben.
Es werden ab dem 01.09.09 die jeweiligen Anwartschaftsrechte bei den verschiedenen Trägern ausgeglichen. Hierzu wird bei dem jeweiligen Versorgungsträger bei dem Anwartschaftsrechte bestehen (mit wenigen Ausnahmen) mit der Ehescheidung Konten für den Ausgleichsberechtigten Ehegatten begründet, auch wenn dieser dort nicht selbst versichert ist, und die auszugleichenden Anwartschaftsrechte auf diese Konten übertragen.
Die Anwendung der Barwertverordnung wird dadurch überflüssig, Rechenungenauigkeiten eliminiert. Weiter sind ab dem 01.09.09 sämtliche Lebensversicherungen vom Versorgungsausgleich erfasst.
Bisher gilt, dass kapitalbildende Lebensversicherungen in den Zugewinnausgleich fallen und dort auszugleichen sind. Es war daher möglich, bei Ausübung des Renten-/Kapitalwahlrechts die Berücksichtigung der Lebensversicherung zu verhindern. Dieser Missbrauch soll durch die Reform ebenfalls verhindert werden.
Bei entsprechendem Bedürfnis – z.B. bei der Absicherung eines Kredits oder der Tilgung eines Hauses – ist hier eine Lösung über einen Ehevertrag zu suchen.
Dieser Artikel kann und will selbstverständlich eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Auch können die mit der Reform erfolgenden Neuerungen im Familienrecht nicht abschließend erörtert werden.
Der vorstehende Artikel bietet alleine punktuell einen groben Einblick in die anstehenden Änderungen.